Wormser Geschichte mit Briefmarken erzählt
19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert, einer Zeit großer Veränderungen, erlebte die Stadt Worms eine Reihe bedeutender Ereignisse. Die ehemals freie Stadt, die von Kriegen und Zerstörungen gezeichnet war, wurde hessisch. Mit der Industrialisierung kamen zahlreiche Fabriken, die Eisenbahn, Gaslampen und eine Wasserversorgung. Die Enthüllung des Lutherdenkmals fand weltweite Beachtung. Gegen Ende des Jahrhunderts besuchte das russische Zarenpaar die Stadt.
Zwischen 1803 und 1810 gingen im Rahmen der Nationalgüterversteigerungen sowohl Gebäude als auch landwirtschaftlich genutzte Flächen aus Kirchenbesitz in Privathand über. Auch die Zunfthäuser wurden versteigert. Am 18. April 1805 erhielt der Wormser Bürger Cornelius Heyl für das bischöfliche Schloss samt Hofkellerei, Hof und Garten den Zuschlag.
Im Jahr 1805 wurde der Holzhändler Johann Jakob Pistorius zum ersten Maire reformierter Konfession ernannt. Zwei Jahre später, am 26. Januar 1807, wurde auf Veranlassung der Katholischen Pfarrkirche im Gasthaus zum Hirsch die St. Johanniskirche zum Abriss versteigert. Den Zuschlag erhielten der Architekt Georg Philipp Blattner und der Maurer Georg Bernard Betrand.
Von 1808 bis 1824 ließ Emmerich Joseph von Dalberg das Schloss zu Herrnsheim in zwei Phasen unter der Leitung des Mannheimer Architekten Jakob Friedrich Dyckerhoff wiederaufbauen. Im Jahr 1810 wurde Emmerich Joseph von Dalberg von Kaiser Napoléon I. zum Duc erhoben. Als Badischer Gesandter in Paris trat er in die Dienste Napoléons.
1815 unterzeichnete er die Achterklärung gegen den von Elba zurückgekehrten Kaiser. Der Höhepunkt seiner politischen Laufbahn war die Teilnahme am Wiener Kongress. Zusammen mit Talleyrand war er Hauptfinanzier der Banque Paravey, deren Bankrott im Jahr 1827 ihn einen Teil seines Vermögens kostete.
Im Jahr 1813 wurde der Weinhändler Peter Joseph Valckenberg zum Bürgermeister ernannt. Er hatte dieses Amt über 25 Jahre bis zu seinem Tod 1837 inne und leitete die Geschicke der Stadt unter französischer, bayerisch-österreichischer und hessischer Oberhoheit. Im selben Jahr ließ angeblich Marschall Marmont den Kreuzgang auf der Südwestseite des Domes niederbrennen, nachdem in dem von den französischen Truppen als Lazarett genutzten Gebäude unter den Kranken Typhus ausgebrochen war.
Im Juli 1816, nach einer Übergangszeit unter der “Gemeinsamen österreichisch-baierischen Landesadministrationskommission” (zeitweise mit Sitz in Worms), kam die Stadt gemäß den Beschlüssen des Wiener Kongresses mit dem Besitzergreifungspatent Großherzog Ludwigs I. mit dem linksrheinischen Gebiet um Alzey, Bingen, Mainz (ab 1818 “Rheinhessen”) an das Großherzogtum Hessen. Somit wurde die ehemalige Freie Stadt Worms eine hessische Stadt. Die fortschrittlichen Errungenschaften aus der französischen Zeit wie Gerichtsorganisation, Code Napoléon und Zivilstandsregister wurden beibehalten.
Am 10. Februar 1817 starb in Regensburg Karl Theodor von Dalberg, der letzte Kurfürst und Erzbischof von Mainz, auch der letzte Bischof von Worms und Konstanz, ehemals Fürstprimas des Rheinbundes, Großherzog von Frankfurt und resignierter Erzbischof von Regensburg.
Am 14. April 1821 wurde der Hochaltar, die Nebenaltäre und die Kanzel aus der zum Abbruch bestimmten Kirche des Frauenklosters Maria Münster in die St. Martinskirche gebracht und dort aufgestellt. Ein paar Monate später, am 30. Juni, trat die hessische Gemeindeordnung in Kraft und löste das bis dahin bestehende Gemeinderecht ab.
Zwei Jahre später, am 15. Dezember 1824, wurde die Wormser Volksschule als simultane “Kommunalschule” in dem Gebäude, das vorher durch das Gymnasium genutzt worden war, eröffnet. Bei der Einrichtung der Kommunalschule wirkten Bürgermeister Valckenberg, die evangelischen Geistlichen Kirchenrat Graf und Pfarrer Rödinger sowie die katholischen Pfarrer Boll und Geb mit.
Im März 1830 erteilte die großherzogliche Regierung in Darmstadt die Genehmigung, den Ostflügel des gotischen Domkreuzganges niederzulegen. Zwei Jahre später, am 29. Mai 1832, zogen Hambacher Festteilnehmer in großen Scharen durch die Stadt. Es kam zu Unruhen, in deren Verlauf Läden gestürmt und Juden misshandelt wurden. In den folgenden Wochen wurden zahlreiche Verhaftungen und Verurteilungen vorgenommen, die Abhaltung des traditionellen Pfingstmarktes verboten. Das Wormser Gymnasium erhielt das Recht zur Abhaltung von Reifeprüfungen.
Am 6. Juli 1838 beschloss der Gemeinderat die Gründung einer städtischen Sparkasse. Am 13. August wurde die Verwaltungskommission gewählt und am 15. Oktober die Geschäftsordnung vom großherzoglichen Kreisrat genehmigt. Am 5. Dezember wurde der Betrieb in einem Geschäftszimmer, eingerichtet im alten Rathaus, aufgenommen.
Im Jahr 1839 gründeten Johann Cornelius III. Heyl zusammen mit seinem Schwager Johann K. Martenstein eine Fabrik zur Herstellung von lackiertem Kalbsleder, die späteren Heyl’schen Lederwerke. Vorläuferin war die 1834 gegründete Saffianledermanufaktur Heyl & Martenstein. Die Fabrik befand sich im Süden der Stadt auf dem Gelände des vormaligen Klosters Nonnen- bzw. Mariamünster.
Friedrich Gernsheim, Dirigent, Pianist, Komponist, wurde im Jahr 1839 geboren. Er stammte aus einer alteingesessenen jüdischen Familie. Seine musikalische Ausbildung genoss er in Frankfurt und Leipzig. Als Musiker wirkte er in Köln, Rotterdam und Berlin. Sein umfangreiches Gesamtwerk enthält vier Sinfonien, Solokonzerte, Chorwerke, Lieder und Kammermusik.
Von 1844 bis 1845 veranlasste Maria Louise Leveson, verwitwete Acton, Tochter von Emmerich Joseph von Dalberg, durch den Mainzer Architekten Ignaz Opfermann den Umbau des Herrnsheimer Schlosses in den Formen des Empire-Stils.
Am 12. Mai 1845 traten Wormser Bürger zu einer ”Katholischen Kirchen-Gemeinschaft im Sinne und Geiste der ursprünglichen christlichen Kirche” zusammen (Deutschkatholiken). Im Jahr 1845 gab es in Worms drei Fabriken, die Lederlackierfabrik Heyl mit ca. 220 Arbeitern, die Lederlackierfabrik Doerr & Reinhart mit 60 Arbeitern und die Cichorienfabrik J.V. Jungbluth mit 10 Arbeitern.
Im Jahr 1846 wurde die ”Turngemeinde” gegründet. Neben dem Turngedanken vertrat sie auch fortschrittliche politische Ansichten und engagierte sich in der Bürgerwehr. Nach dem Scheitern der Revolution 1848/49 wurde sie für einige Jahre verboten.
Am 25. Oktober 1847 beendete die obere Schulbehörde die Differenzen, die 1846 durch das Ansinnen des Gymnasialdirektors Dr. Wiegand entstanden, unterschiedlichen Geschichtsunterricht für evangelische und katholische Schüler einzuführen. Der gemeinsame Unterricht wurde fortgeführt.
Im März 1848, als die politischen Spannungen in ganz Europa hochkochten, versammelte sich in Worms ein Bürgerkomitee. Sie überbrachten dem Abgeordneten der Stadt in der Zweiten Kammer, einem Alzeyer Advokatsanwalt namens Lehne, der der liberalen Opposition angehörte, eine Liste mit Forderungen. Darunter war das Recht auf Versammlungs- und Pressefreiheit. Innerhalb weniger Tage wurden diese Forderungen erfüllt, ein Zeichen dafür, wie stark der Druck für Veränderung war.
Am 10. März desselben Jahres institutionalisierte sich das Wormser Bürgerkomitee. Nach einer Vollversammlung am 2. April standen sich zwei politische Gruppen gegenüber. Auf der einen Seite stand der “Demokratenverein”, angeführt von Ferdinand Eberstadt, dem Arzt Dr. von Löhr, dem Gutsbesitzer und Weinhändler Philipp Bandel sowie dem Weinhändler Ludwig Blenker. Auf der anderen Seite stand der zahlenmäßig kleinere demokratisch-monarchische Verein, der “Bürgerverein”, dem hauptsächlich Kaufleute und Beamte angehörten, mit dem Gymnasiallehrer Dr. Friedrich Eich als treibende Kraft.
Am 22. März besuchten Großherzog Ludwig III. und seine Frau Worms. Die Wormser Bürger geleiteten die Gäste, die mit dem Dampfboot kamen, vom Rhein zum Lindenplatz. Beim Anlanden wurde durch Kanonenschuss das Signal für 101 Kanonenschüsse und Glockengeläut gegeben. Nachmittags um 4 Uhr bildeten die Bürger vom Lindenplatz aus wieder Spaliere zum Rhein, es folgten erneut 101 Kanonenschüsse und Glockengeläut.
Im Jahr 1849 rückte Ludwig Blenker, Obrist der Bürgerwehr, mit etwa 200 Mann aus Worms aus, um am badischen Aufstand teilzunehmen. Nach der Eroberung von Ludwigshafen scheiterte er vor Landau. Er flüchtete nach Nordamerika, wo er beim Sezessionskrieg 1861 ein deutsches Jägerregiment auf Seiten der Nordstaaten bildete. Als General mit der politischen Führung uneins, zog sich der ”Haudegen” krank zurück und starb kurze Zeit später. Von seiner Ausbildung her war er Goldarbeiter. Er folgte König Otto nach Griechenland und erhielt sein Offizierspatent. Um 1840 war er als Weinhändler in Worms tätig.
Um das Jahr 1850 hatte sich die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch vorwiegend landwirtschaftlich ausgerichtete Stadt gewandelt.
Felix Langenbach brachte die ”schwarze” Kunst, aus Steinkohlen Gas zu machen, von England in seine Heimatstadt. Er errichtete eine Gasfabrik im Hof Ecke Friedrichstraße und Sterngasse. Die Gasometer der Besitzer von Gasbeleuchtungen wurden mit mobilen Gaswagen beliefert.
Am 14. Mai 1850 wurde Rheinhessen in zwei Regierungsbezirke eingeteilt. Der Regierungsbezirk Worms umfasste die Friedensgerichtsbezirke Alzey, Osthofen, Pfeddersheim, Wöllstein und Worms. Ein Jahr später lud der Gemeinderat 77 Bürger zu einer Diskussion über den Standort für den Bau des Bahnhofs ein. Man sprach sich mehrheitlich für den Bau auf dem Rheintorwoog wegen der Nähe zur Stadt aus. Ein Jahr später gab man den Forderungen der Hessischen Ludwigsbahn nach dem Standort beim Liebenauer Feld nach.
Am 1. September 1852 wurde die Weingroßhandlung Langenbach & Co gegründet. Im Jahr 1853 wurde die Linie Mainz-Worms der hessischen Ludwigsbahn eröffnet. Sie wurde mit der bayerischen Ludwigsbahn zur durchgehenden Strecke Mainz-Worms-Ludwigshafen. Bahnhof - Rosengarten
Ludwig Edinger, Neurologe, wurde 1855 als Sohn des liberalen Kleiderfabrikanten und Stadtverordneten Marcus Edinger geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums studierte er in Heidelberg und Straßburg. 1883 ließ er sich in Frankfurt/M. als Arzt und Neurologe nieder. Er arbeitete mit Prof. Carl Weigert in den Senckenbergischen Instituten zusammen, wurde 1896 Professor. Er begründete das Neurologische Institut, das seit 1914 zur Universität Frankfurt gehört (heute Edinger-Institut).
Am 14. Juni 1855 weihte Großherzog Ludwig III. die Wormser Schiffsbrücke zwischen Worms und dem Rosengarten ein. Deren Errichtung geht auf den unermüdlichen Einsatz des Wormser Gemeinderatsmitglieds und Mitglieds in der II. Hessischen Kammer, Gymnasiallehrer Dr. Johann Friedrich Eich, zurück.
Die Wollgarnspinnerei Worms am Rhein übernahm 1856 die um 1850 entstandene Kunstwollfabrik Gustav Schoen & Co., angesiedelt in der Mainzer Vorstadt im Norden. Am 10. Mai 1856 leitete Bürgermeister Franz Euler zum letzten Mal eine Sitzung des Wormser Stadtrates, ehe er sein Amt seinem Nachfolger, dem Bürgermeister Adam Joseph Betz, übergab.
Im Jahr 1857 gab es in Worms elf Fabriken, die jeweils mindestens zwanzig Arbeiter/innen, insgesamt 2098, beschäftigten. Neben den Lederfabriken und der Wollgarnspinnerei Worms AG fanden sich die Tabakfabrik Leonhard Heyl & Comp. (188 Arbeiter), mehrere Cigarrenfabriken (M. Mannheimer, van der Leeuw & Comp., Abenheimer & Jaberg, J.G. Mayer), die Cichorienfabrik J.V. Jungbluth und die Maschinenfabrik Gebr. Kaibel. Die Lederfabriken exportierten ihre Waren Ende der 50iger Jahre vorwiegend ins Ausland bis nach Ostindien, Russland und Amerika. Ähnliches war für die Wollgarnspinnerei zu beobachten.
Markus Levygründete 1858 Ecke Kämmererstraße und damaligem Paradeplatz (Ludwigsplatz) die erste Wormser Privatbank. Am 9. Mai 1859 eröffneten Englische Fräulein aus der Mainzer Kongregation eine Privatmädchenschule auf dem Fruchtmarkt (Weckerlingplatz) mit 60 Schülerinnen aus katholischen Wormser Familien. 1866 zogen sie in ein Gebäude auf dem Domkeller (Schlossgasse 6).
Im Januar 1860 wurden zum ersten Mal die Straßen der Stadt durch Gaslampen beleuchtet. Am 8. Januar wurde beim Ball des Sängerbundes der Kasinosaal durch Gaslampen erhellt, deren Licht durch einen dreifachen Tusch der Kapelle begrüßt wurde.
Die Nibelungenbahn aus Bensheim und die Riedbahn aus Darmstadt endeten auf der rechten Rheinseite im Bahnhof Rosengarten, gegenüber der Stadt Worms, da eine Rheinbrücke noch nicht vorhanden war. Eine Schiffsbrücke verband den Bahnhof Rosengarten mit der Stadt Worms sowie dem Hafenbahnhof auf der gegenüberliegenden Rheinseite.
Am 25. Juni 1868 wird das Lutherdenkmal, das weltweit größte Reformationsdenkmal, eingeweiht. Das Denkmal wurde von Ernst Rietschel und seinen Schülern Donndorf, Schilling und Kietz gestaltet. Initiator war der Lutherverein, der Spenden aus aller Welt gesammelt hat. Die weltweit beachtete Denkmalsenthüllung in Anwesenheit des Königs von Preußen sowie zahlreicher deutscher Fürsten wird von fast 100.000 Festbesuchern verfolgt. Anlässlich der Enthüllung werden preußische Orden an Dekan Eduard Franz Keim, Präsident des Lutherdenkmal-Vereins, Gymnasiallehrer Dr. Friedrich Johann Eich, Vizepräsident, und Sekretär Edelmann verliehen. Dekan Keim und Gymnasiallehrer Eich werden zu Ehrenbürgern ernannt.
Am 31. Oktober 1870 wird derLutherbaum in Pfiffligheim westlich von Worms durch einen Sturm seiner Krone beraubt.
Im Zuge der 1874 im Großherzogtum Hessen nach preußischem Vorbild vorgenommenen Reform der Kreisverfassung kam es auch zu einer neuen Kreiseinteilung. Die damals geschaffene Gliederung der Provinz Rheinhessen in fünf Kreise (Alzey, Bingen, Mainz, Worms, Oppenheim) hatte mehr als sechs Jahrzehnte Bestand.
Im Jahr 1874 wird eine Straßenunterführung nach Neuhausen, der ”Neuhauser Tunnel”, gebaut.
Am 13. Juni desselben Jahres tritt die neue Städteordnung für das Großherzogtum Hessen in Kraft. Erster hauptamtlicher Bürgermeister wird der Jurist Friedrich Heimburg. Am 21. Oktober desselben Jahres wird die städtische höhere Mädchenschule, die heutige Eleonorenschule, eröffnet.
Die erste Litfaßsäule in Worms wurde am 25. November 1875 auf dem damaligen "Ludwigsplatz" aufgestellt. Der Platz liegt im Zentrum der Stadt und war schon damals ein belebter Ort, was ihn zu einem idealen Standort für die Aufstellung der Litfaßsäule machte, um öffentliche Bekanntmachungen und Werbung zu verbreiten.
Im Jahr 1875 wird die Levy’sche Synagoge, umgestaltet aus einem Getreidemagazin (Judengasse 29), fertig gestellt. Der vermögende Getreidehändler Leopold Levy hat sie nach Vorschlägen und Plänen des Maurermeisters Johann David Strauß auf eigene Kosten errichten lassen, um diese Synagoge für strengere, konservative Gottesdienstformen zur Verfügung zu stellen.
Am 3. Januar 1876 wird das neue Volksschulgebäude seiner Bestimmung übergeben. In dem Schulgebäude an der Neuen Schulstraße (Karmeliterstraße) werden alle Klassen bis auf die fünf unteren, im alten Schulgebäude verbleiben, vereinigt. Der Keller des neuen Schulbaus wird an die Weinfirma Langenbach vermietet.
Im Jahr 1877 kauft die Reichspostverwaltung für 85.000 Mark den sogenannten Wessenberger Hof (Kämmererstraße 50) von dem Fabrikbesitzer N. A. Reinhart. Zwei Jahre später wird das Gebäude abgerissen und durch einen Neubau für die Post ersetzt.
Am 14. Juli 1879 wird Bürgermeister Friedrich Heimburg in Worrets Lokal in der Carmeliterstraße (Wilhelm-Leuschner-Straße) zum 1. Vorsitzenden des neu gegründeten Altertumsvereins gewählt. Zweck der Vereinsgründung ist die ”Erforschung der Geschichte der Stadt Worms und ihrer Umgebung und Sammlung und Erhaltung der hierauf bezüglichen Schriften, Drucksachen und Alterthümer”. 1886 zählt der Verein 617 Mitglieder.
Im selben Jahr, 1879, wird im Zuge einer Neuordnung des Gerichtswesens Worms Sitz eines Amtsgerichts mit zwei Amtsrichtern und einer Amtsanwaltschaft und bezieht zum 1. Oktober 1979 das frei gewordene Schulgebäude des Gymnasiums neben dem Pfandhaus in der Wollstraße.
In fabrikmäßig betriebenen Produktionsstätten sind 2967 Arbeitskräfte beschäftigt. Die Branchen umfassen 6 Lederfabriken und Gerbereien, 5 fabrikmäßig betriebene Bierbrauereien, je 3 Degrasfabriken, Maschinenfabriken und Malzfabriken, 2 Dampfmühlen, 2 Knochenpräparatfabriken, je 1 Kammgarnspinnerei, Kunstwollfabrik, Zigarrenfabrik, Wasserglas- und Seifenfabrik, Kaffeesurrogatfabrik, Oelfabrik, Patronenhülsenfabrik und Nudelfabrik.
Am 14. April 1880 wird das Gymnasialgebäude offiziell mit Schlusssteinlegung und Einweihung seiner Bestimmung übergeben. Dr. Adalbert Becker, Gymnasialdirektor, verfasst aus diesem Anlass eine Schulgeschichte.
Im Jahr 1881 beginnt der Basler Privatdozent für Geschichte Prof. Dr. Heinrich Boos mit der Ordnung und Verzeichnung der Bestände des Wormser Stadtarchivs, finanziert durch den Lederindustriellen und nationalliberalen.
Im Jahr 1884 erhält Nicolaus Reuß, Pfarrer an St. Martin, die Ehrenbürgerrechte für seine Verdienste um die Rettung der Liebfrauenkirche, die einzustürzen drohte.
Im selben Jahr wird das schlossähnliche Palais Heylshof, das im Auftrag von Commerzienrat C.W. (v.) Heyl nach Plänen des Schweizer Architekten Alfred Friedrich Bluntschli in Formen des Neubarock errichtet wurde, vollendet.
Im Mai 1885 wird nach einer Bürgerversammlung ein Bürgerkomitee gebildet, das gemeinsam mit Oberbürgermeister Küchler und den Wormser Mitgliedern der Ständekammer C.W. (von) Heyl und Nikolaus Andreas Reinhart das Projekt einer festen Rheinbrücke vorantreiben sollte. Die Leitung des vorwiegend aus Kaufleuten bestehenden Gremiums übernimmt der Stadtverordnete Dr. Schneider.
Im April 1885 findet die erste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung in dem neuen Sitzungssaal des nach Plänen Gabriel von Seidls umgebauten Stadthauses statt. Das prunkvoll gestaltete Sitzungszimmer wird durch ein monumentales Fresko von Prell an der Ostwand des Raumes beherrscht, das die Übergabe der Zollfreiheitsurkunde von 1074 durch König Heinrich IV. an die Bürger von Worms darstellt.
Im April 1886 tritt Karl Hofmann, der seit Frühjahr 1885 als Architekt der Hospitalverwaltung tätig war, die Stelle des Stadtbaumeisters als Nachfolger von Ludwig Euler an. Er wird zum Planer und Gestalter eines ”neuen Worms”. Im selben Jahr wird der Lederindustrielle Cornelius Wilhelm (von) Heyl (zu Herrnsheim) nobilitiert. Als nationalliberaler Abgeordneter des Reichstages und der ersten Kammer der hessischen Landstände sowie als Mitglied der Stadtverordnetenversammlung nimmt er eine herausragende politische, wirtschaftliche und kulturelle Position in der Stadt ein. Außer zahlreichen wohltätigen und sozialen Einrichtungen stiftete er das Kunsthaus Heylshof. Durch sein Wirken gelangt die Wormser Lederindustrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu Weltruf.
Im Juni 1886 bricht infolge von Hochwasser des Rheins um zwei Uhr in der Nacht der Damm des sogenannten verschlossenen Wörths und verursacht eine große Überschwemmung. Nur wenige Monate später, im September, wird ein Projekt für die Wasserversorgung der Stadt nach eingehenden Wasser- und Bodenqualitätsuntersuchungen vorgelegt. Bis in die 80er Jahre versorgten sich die Einwohner aus öffentlichen oder privaten Pumpbrunnen.
Im Jahr 1887 gründet Cornelius Wilhelm Freiherr von Heyl zu Herrnsheim auf Initiative die ”Aktiengesellschaft zur Erbauung billiger Wohnungen namentlich zum Besten von Arbeitern in Worms”. Auch unter maßgeblicher Beteiligung der übrigen Wormser Geschäftswelt wird die Gesellschaft gegründet, die bis 1913 weitere 112 Häuser mit 224 Wohnungen errichtet. Die Arbeiterkolonie erhält den Namen ”Kiautschau” nach dem vom Deutschen Reich 1898 erpachteten Gebiet auf der chinesischen Halbinsel Schantung.
Im Jahr 1888 gehen die Bemühungen der Stadt um den Status einer Garnisonsstadt mit dem Bezug der neu erbauten “Prinz-Carl-Kaserne” durch das 118er Regiment endlich in Erfüllung.
Im selben Jahr wird die Liebfrauenkirche wieder zur Pfarrkirche durch Einrichtung einer Pfarrkuratie.
Am 14. Oktober 1888 wird das neue Krankenhaus eingeweiht und in Dienst gestellt. Der Hauptbau, der Verwaltungsbau, ist dreigeschossig mit zweigeschossigen Flügeln. Im rechten Winkel dazu stehen sich zwei langestreckte Baracken gegenüber, die die Männer- und Frauenstation beherbergen. Im Westen, parallel zum Hauptbau befindet sich der Küchenbau, hinter diesem die Isolierbaracke. In der äußersten Ecke des großzügigen Terrains wird die Leichenkapelle errichtet.
Das erste Auto, der Benz Patent-Motorwagen Nummer 1, wurde von Carl Benz entwickelt und 1886 patentiert. Bertha Benz, die Frau von Carl Benz, unternahm im August 1888 die erste längere Fahrt mit diesem Fahrzeug von Mannheim nach Pforzheim und zurück.
Das erste Auto in Worms war ein „Daimler Motorwagen“, der im Jahr 1899 von dem Unternehmer Karl Goodyear erworben wurde. Karl Goodyear, der in der Lederindustrie tätig war, war ein fortschrittlich denkender Unternehmer und entschied sich, in diese neue Technologie zu investieren. Der Daimler Motorwagen, entwickelt von Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach, war eines der ersten serienmäßig hergestellten Automobile und symbolisierte den Beginn des Automobilzeitalters in Worms.
Im Dezember desselben Jahres wird der am 21. Mai 1859 geschlossene Pachtvertrag für das Gaswerk vorzeitig gelöst, da sich das Pachtsystem für die Gasversorgung nicht bewährt hat. In der Klosterstraße wird ein neues Gaswerk gebaut, das im November 1889 unter städtischer Verwaltung in Betrieb genommen wird. Die Tageleistung beträgt etwa 5000 Kubikmeter.
Im Jahr 1889 kann das Wasserwerk den Betrieb aufnehmen. Das Wasser wird ca. 1,5 Meter unter der Rheinsohle entnommen, zum Pumpwerk in die Klosterstraße geleitet, filtriert und in das Rohrnetz eingespeist.
Im November desselben Jahres wird das Theatereröffnet. Prof. Friedrich Gernsheim schreibt zur Eröffnung einen vierstimmigen Chor mit Orgelbegleitung. Das von Otto March entworfene Spiel- und Festhaus wurde erbaut auf Initiative des Fabrikanten und Stadtverordneten Friedrich Schoen mit privaten Mitteln, Spenden Wormser Bürger und einem städtischen Zuschuss.
Am 8. Dezember 1889, nur wenige Wochen nach der Einweihung, besuchte Kaiser Wilhelm II. bei seinem einzigen Aufenthalt in Worms eine Aufführung des eigens dafür verfassten Festspiels "Drei Jahrhunderte am Rhein" von Hans Herrig. Das Stück wurde jedoch von den Zeitgenossen nicht besonders positiv aufgenommen.
Im September 1890 wird der rund 58 m hohe Wasserturm fertig gestellt. Ein Monat später erfolgt die erste Füllung des 1200 m³ fassenden Hochbehälters mit Wasser. Mit der architektonischen Gestaltung hat der Stadtbaumeister Karl Hofmann einen lokaltypischen Stil geschaffen, die ”Wormser Neuromanik”. Bis zum Jahr 1962 dient der Turm der Wasserversorgung.
Von 1890 bis 1893 wird in Verbindung mit der Rheinregulierung und notwendigen Dammbauten der Handelshafen gebaut. Wegen finanzieller Schwierigkeiten können die vorgesehenen Baumaßnahmen nicht in geplanter Größenordnung durchgeführt werden.
Vom 13. Dezember 1890 bis zum 30. Januar 1891 muss die Schiffsbrücke für fast sieben Wochen wegen Eis auf dem Rhein im Winterhafen bleiben. 600 Arbeiter aus dem rechtsrheinischen Gebiet können wegen Eis acht Tage lang nicht zur Arbeit nach Worms.
Im Jahr 1891 wird die öffentliche Armenpflege in der Stadt Worms neu geordnet. Die Stadt wird in neun Bezirke eingeteilt, wobei jedem Bezirk ein Bezirksvorsteher und ehrenamtliche Armenpfleger zugeteilt werden.
Zwei Jahre später, am 22. April 1893, erteilt der Großherzog der Stadt die Konzession zum Lokomotivbetrieb auf den in Verbindung mit den Hafenanlagen erbauten Gleisstrecken. Die Hafenbahn unter städtischer Regie nimmt ihren Betrieb auf.
Karl Bittel (1841-1911) schuf von 1896 bis 1898 nach den Plänen von Karl Völzing durch den Gärtner Ignatz Racing den Pfrimmpark im Englischen Gartenstil mit üppigem Baumbestand und zwei Brücken. Seit 1932 trägt der Park den Namen seines Erbauers: Karl-Bittel-Park.
Im Dezember 1894 lehnt der Gemeinderat von Neuhausen auf Anfrage des Kreisamtes eine Eingemeindung nach Worms ab. Doch nur wenige Jahre später, am 1. April 1898, wird in einer öffentlichen feierlichen Sitzung der Stadtverordnetenversammlung, an der Bürgermeister und Gemeinderat von Neuhausen teilnehmen, die Eingemeindung von Neuhausen vollzogen. Am 1. Oktober desselben Jahres folgt die Eingemeindung von Pfiffligheim und dem ”Schreinerdorf” Hochheim.
Im Jahr 1895 errichtet die Bürgerschaft auf dem Paradeplatz, dem heutigen Ludwigsplatz, ein Denkmal für Großherzog Ludwig IV. von Hessen zur Erinnerung an die militärischen Leistungen der großherzoglich-hessischen Truppen im Krieg von 1870/71. Das Denkmal, das von Stadtbaumeister Karl Hofmann in einer Gesamthöhe von 24,30 Meter geschaffen wurde, wird am 15. Juli in Anwesenheit von Großherzog Ernst Ludwig und seiner Schwester Prinzessin Viktoria enthüllt.
Im selben Jahr stellt Cornelius Freiherr von Heyl zu Herrnsheim sein Gelände im Liebenauer Feld im Westen der Stadt nahe dem Vorort Neuhausen zur Errichtung von Arbeiterwohnungen zur Verfügung. Bis 1912 wird das Kernstück mit 42 Häusern (84 Wohnungen) bebaut für die Arbeiter der eigenen Lederwerke, das übrige Gelände für andere Arbeiter und Minderbemittelte.
Im Jahr 1896 bricht infolge von Hochwasser des Rheins um zwei Uhr in der Nacht der Damm des sogenannten verschlossenen Wörths und verursacht eine große Überschwemmung. Nur wenige Monate später, am 9. Juni, wird die sogenannte Buschbahn, die erweiterte Strecke der städtischen Hafenbahn nach dem Oberen Busch, in Betrieb genommen.
Im Jahr 1897 gründet Cornelius Wilhelm Freiherr von Heyl zu Herrnsheim auf Initiative die ”Aktiengesellschaft zur Erbauung billiger Wohnungen namentlich zum Besten von Arbeitern in Worms”. Auch unter maßgeblicher Beteiligung der übrigen Wormser Geschäftswelt wird die Gesellschaft gegründet, die bis 1913 weitere 112 Häuser mit 224 Wohnungen errichtet. Die Arbeiterkolonie erhält den Namen ”Kiautschau” nach dem vom Deutschen Reich 1898 erpachteten Gebiet auf der chinesischen Halbinsel Schantung.
Im April desselben Jahres gehen die Bemühungen der Stadt um den Status einer Garnisonsstadt mit dem Bezug der neu erbauten“Prinz-Carl-Kaserne”durch das 118er Regiment endlich in Erfüllung.
Im Jahr 1898 wird die Liebfrauenkirche wieder zur Pfarrkirche durch Einrichtung einer Pfarrkuratie.
Am 4. Juni 1898 erscheint die erste Ausgabe der „Wormser Volkszeitung, unabhängige politische Tageszeitung für Rheinhessen, Starkenburg und die Pfalz“ zum monatlichen Abonnementpreis von 30 Pfennigen. Im September desselben Jahres wird im Speyrer Hof der Ortsverband des Deutschen Metallarbeiterverbandes mit 30 Mitgliedern gegründet.
Am 7. Oktober 1899 besuchen Zar Nikolaus II. und Kaiserin Alexandra Feodorowna, Schwester Großherzog Ernst Ludwigs, in Begleitung des Großherzogspaars Worms. Prof. Heinrich Boos präsentiert das “Reichsstädtische Archiv”, Prof. August Weckerling zeigt das Paulusmuseum, Propst Fehr und Prof. Karl Hofmann führen durch den Dom. Im November verleiht Zar Nikolaus II. Oberbürgermeister Heinrich Köhler und Stadtbaumeister Karl Hofmann den St. Stanislausorden II. Klasse.
Am 22. Dezember desselben Jahres werden die Ehrenbürgerrechte an Cornelius Wilhelm Freiherr Heyl zu Herrnsheim für seine finanzielle und ideelle Förderung, die er dem Stadtarchiv angedeihen ließ, verliehen. Gleichzeitig erscheint der dritte Band der ”Geschichte der rheinischen Städtekultur” von Prof. Heinrich Boos.
PDF: Virtuelle Ausstellung des Briefmarkensammlerverein Worms e.V. "Was es in Worms einmal gab ..."