Wormser Geschichte mit Briefmarken erzählt
17. Jahrhundert
Am 8. September 1601 wurde Worms in den frühen Morgenstunden von einem Erdbeben heimgesucht. Die Erde bebte so heftig, dass die Glocken von selbst zu läuten begannen, als ob sie die Stadt vor der drohenden Gefahr warnen wollten. Die Bürger erwachten in Schrecken und Furcht, viele flüchteten ins Freie, während die alten Mauern der Stadt unter dem Zittern der Erde stöhnten.
Im April 1615 brach ein tiefer sozialer und wirtschaftlicher Konflikt auf, als Spannungen zwischen den Zunftmeistern und dem regierenden Magistrat eskalierten.
Der Grund für die Unruhe lag auch in der Verschuldung der Handwerker bei den jüdischen Geldverleihern. Am Ostermontag des Jahres 1615 entlud sich die aufgestaute Wut in einem gewalttätigen Aufruhr. Die jüdische Gemeinde wurde über den Rhein vertrieben, ihre Häuser geplündert und zerstört. Die Synagoge wurde teilweise abgerissen, Grabsteine auf dem Friedhof umgestürzt und zerschlagen.
Wormbs. Panorama-Ansicht der Stadt Worms mit Stadtmauern, Wehrtürmen und vielen Kirchen, im Vordergrund Lastschiffe und Hebekran am Rhein.
Petrus Bertius (1556-1629), niederländischer Radierer
Verlag: Amsterdam: Janssonius, 1616
Am 16. Mai 1632 machten die verheerenden schwedischen Truppen unter Oberst Haubold nicht halt vor den heiligen Stätten der Stadt. Das Karmeliterkloster mitsamt der Kirche und der St. Annakapelle wurde dem Erdboden gleichgemacht. Die Karmeliter verließen daraufhin Worms und kehrten erst 1657 zurück, als Bischof Hugo Eberhard sie wieder in die Stadt aufnahm und ihnen die Stephanskirche zum Gebrauch überließ.
Im Jahr 1635 war die Rückkehr der kaiserlichen Garnison nach Worms ein Lichtblick inmitten der Dunkelheit des Krieges. Die schwedische Besatzung zog ab. Doch die Stadt war gezeichnet, ihre Bürger erschöpft und verarmt.
Die Pestepidemie, die in den Jahren 1666/67 über Worms hinwegfegte, forderte über 1000 Menschenleben. Fünf Mitglieder des regierenden Dreizehnerrates und mehrere lutherische Pfarrer fielen der Seuche zum Opfer. Die Bevölkerung schrumpfte dramatisch, und die Straßen der Stadt waren gespenstisch leer.
Die Ankunft der französischen Truppen 1688 läutete eine neue und schreckliche Phase ein. Die Juden erlangten gegen Geldzahlung einen Schutzbrief von Marschall Duras, der sie vor Übergriffen der Soldaten bewahren sollte. Doch als sie das kaiserliche Wappen am Judentor gegen das französische Königswappen austauschten, warf ihnen der Dreizehnerrat später Verrat vor.
In den Ruinen der einst so stolzen Stadt lebten nur noch etwa 1000 Menschen. Der Schaden wurde auf über 3 Millionen Reichsthaler geschätzt, eine unvorstellbare Summe. Doch trotz des enormen Leids und der Zerstörung gab es Hoffnung: Pläne für den Wiederaufbau wurden geschmiedet. Johann Friedrich Seidenbender verfasste Vorschläge für die Wiederaufrichtung der Stadt und legte den Grundstein für die Erneuerung von Worms.
Ein kleiner, aber bedeutender Schritt zur Wiederherstellung der Gemeinschaft war der Vertrag, der den Juden die Rückkehr in die Judengasse und den Wiederaufbau ihrer zerstörten Synagoge erlaubte. Die Leibeigenschaft wurde aufgehoben, und sie durften sich nun “Schutzverwandte” oder “Hintersassen” nennen. Diese Geste der Versöhnung und Anerkennung legte den Grundstein für eine neue Ära der Koexistenz und des Wiederaufbaus in Worms.
Die Geschichte von Worms im 17. Jahrhundert ist eine Geschichte des Überlebens und der Widerstandskraft. Trotz der schweren Prüfungen blieben die Bewohner der Stadt entschlossen, ihre Heimat wiederaufzubauen und die Narben der Vergangenheit zu heilen.