Wormser Geschichte mit Briefmarken erzählt
10. bis 11. Jahrhundert
In den Jahrhunderten um die erste Jahrtausendwende erlebte die Stadt Worms eine Zeit des Aufstiegs und der Blüte. Als Sitz des bedeutenden Saliergeschlechts wurde Worms nicht nur ein politisches Zentrum, sondern auch ein Ort religiöser und kultureller Entwicklungen.
Seit dem 9. und 10. Jahrhundert wurde Worms Sitz der mächtigen Herzogsfamilie der Salier. Ihre Herrschaft und der Bau einer Burg im Stadtgebiet, die erstmals 1002 in Quellen erwähnt wird, markierten den Beginn einer neuen Ära. Die Salier dominierten nicht nur die Stadt, sondern auch das Umland, insbesondere den Wonnegau. IhreGrablege im Wormser Dom zeugte von ihrer tiefen Verbundenheit mit der Stadt.
Um 900 erließ Bischof Thietlach eine Mauerbauordnung, die den Bau und die Instandhaltung der Stadtmauer regelte. Diese umfasste etwa 45 Hektar und wurde durch eine genaue Beschreibung der Verantwortlichkeiten der umliegenden Orte ergänzt. Der mächtige Mauerring mit sieben burgähnlichen Toren schützte die Stadt und zeigte ihre wachsende Bedeutung und Selbstständigkeit.
Die Kirchen und Stifte
Im Jahr 1000 trat Bischof Burchard I. sein Amt an und setzte bedeutende Bauprojekte in Gang. Er ließ den Neubau des Doms, des Paulus- und Andreasstifts sowie der Stadtbefestigung vorantreiben. Der Dom, dessen Bau unter Burchard begann, wurde 1018 in Anwesenheit von Kaiser Heinrich II. geweiht, obwohl er noch nicht vollständig fertiggestellt war. Auch die Amanduskirche wurde in dieser Zeit erstmals urkundlich erwähnt. Um 990/1000 berichtete der Gelehrte Gerschom ben Jehuda von der Ansiedlung von Juden in Worms. Die jüdische Gemeinde entwickelte sich schnell und errichtete um 1034 die erste Synagoge Deutschlands. Diese wurde jedoch während des Ersten Kreuzzugs 1095 zerstört. Der berühmte jüdische Gelehrte Raschi studierte um 1060 in Worms und hinterließ tiefe Spuren in der jüdischen Gelehrsamkeit.
Der Heilige Sand in Worms war der Friedhof der jüdischen Gemeinde Worms. Er gilt als ältester, unmittelbar am Ort, erhaltener jüdischer Friedhof in Europa. Die ältesten der etwa 2500 Grabsteine stammen aus dem 11. Jahrhundert.
1048 fand im Wormser Dom eine der einzigen beiden Papstwahlen auf deutschem Boden statt: gewählt wurde Bruno von Egisheim zum Papst Leo IX. Leo IX. wurde 1002 als Sohn des elsässischen Grafen Hugo IV. (Päpstliche Grabplatte kommt nach Worms)
Königliche Privilegien
Worms war treu dem König ergeben. König Heinrich IV. belohnte die Stadt 1074 mit Zollfreiheit an wichtigen Handelsplätzen wie Frankfurt und Goslar, als Dank für die Unterstützung während einer politischen Krise. Diese Urkunde ist die älteste im Original erhaltene des Wormser Stadtarchivs und ein bedeutendes Zeugnis für die enge Bindung der Stadt an das Königshaus. 1076 fand hier ein weiterer Hoftag statt, auf dem König Heinrich IV.
1122 wurde in Worms das nach der Stadt benannte Wormser Konkordatgeschlossen. In dieser Zeit bildet sich die städtische Verfassung mit einem selbständig agierenden Stadtrat als Vertreter der Bürgerschaft heraus. Nach dem Untergang der Salier 1125 verbanden sich auch die Staufer eng mit der Stadt.
Der Erste Kreuzzug: Trotz der engen Bindung an den König und der erhaltenen Privilegien erlebte Worms auch schwere Zeiten. Während des Ersten Kreuzzugs im Jahr 1095 wurden die Juden in Worms Opfer von Pogromen. Unter der Führung von Gottfried von Bouillon fielen die Kreuzfahrer über die jüdische Gemeinde her, töteten und plünderten. Viele Juden, die sich nicht taufen ließen, wurden ermordet, ihre Leichen geschändet. Diese dramatischen Ereignisse prägten Worms und seine Einwohner tief. Doch trotz aller Widrigkeiten blieben die Stadt und ihre Bewohner fest verbunden und arbeiteten zusammen, um die Herausforderungen zu meistern und die Stadt immer wieder neu aufzubauen.
Das Erbe der Salier: Worms blieb auch nach dem Tod Bischof Burchards im Jahr 1025 ein bedeutendes Zentrum. Kaiser Konrad II., ein Schüler Burchards und Mitglied des Saliergeschlechts, führte die Tradition fort und festigte die Bedeutung von Worms. Die Stadt wurde weiterhin ein Ort politischer und religiöser Bedeutung, und ihre Geschichte ist bis heute in den Mauern und Straßen spürbar. Diese Zeit des Wandels und der Entwicklung legte den Grundstein für das Worms, wie wir es heute kennen – eine Stadt, die stolz auf ihre reiche Geschichte und ihr kulturelles Erbe zurückblickt.
1184 räumte Kaiser Friedrich Barbarossa der Stadt umfangreiche Freiheitsrechte ein, was als Begründung der Reichsstadt gelten kann. Das 12. Jahrhundert war dann vom beginnenden Streit zwischen dem Bischof und dem Stadtrat um die faktische Herrschaft über die Stadt geprägt – ein Konflikt, der bis ins 16. Jahrhundert andauern sollte.
Es war eine Zeit des Wandels und des Wachstums in der ehrwürdigen Stadt Worms. Die ersten Strahlen des 12. Jahrhunderts brachten mit sich das Versprechen von Fortschritt und Gemeinschaft, als Bischof Adalbert II im Jahr 1106 die Gründung der Fischerzunft verkündete. Diese Vereinigung von Fischern und Fischhändlern, eine der frühesten ihrer Art in Mitteleuropa, versprach nicht nur Sicherheit und Wohlstand für ihre Mitglieder, sondern auch die Sicherung ihrer Rechte und Traditionen durch ein erbliches Mitgliedschaftsrecht und das Recht auf Zuwahl durch die Bürgerschaft.
Die Stadt blühte auf. Neue Bürgerrechte wurden eingeführt, die den Bewohnern von Worms eine bisher ungeahnte Freiheit und Unabhängigkeit gewährten. Kaiser Heinrich V. bestätigte die Zollprivilegien und erließ das jährliche Wachtgeld, während er den Bürgern das freie Erbrecht gewährte, ein bedeutender Schritt zur Beseitigung der schwersten persönlichen Einschränkungen.
Worms wurde ein Zentrum des Handels und der Politik, wie das Wormser Konkordat von 1122 zeigte, das den jahrzehntelangen Streit um die Investitur der Bischöfe beendete.
Die Stadt zog Teilnehmer des zweiten Kreuzzugs an, und Kaiser Friedrich I., auch bekannt als Barbarossa, besuchte Worms mehrfach, um bedeutende Privilegien zu verleihen. Unter seiner Herrschaft wurde der Neubau der Synagoge in den romanischen Formen der Wormser Dombauhütte abgeschlossen, und das städtische Friedensgericht entwickelte sich zu einem mächtigen Gremium.
In der Römerstraße 44 steht das historisches Gebäude "Haus Zur Trommel" mit einer romanischen Fassade aus der Zeit um 1200. Diese Fassade gehört zu einem ehemaligen Wohn- und Geschäftshaus namens "Haus Zur Trommel" und bewahrt Elemente aus verschiedenen Epochen. Zwei Vollgeschosse mit mittig platzierten Rundbogenfenstern prägen die Fassade. Im Erdgeschoss gibt es ein weiteres gekuppeltes Fenster und ein gotisches Doppelfenster, beide mit Entlastungsbögen. Eine Eingangstür und ein rundbogiges Fenster im Giebel komplettieren die architektonische Vielfalt dieses Bauwerks.
Doch nicht alles war von Glück und Frieden geprägt. Immer wieder wüteten Brände in der Stadt, zerstörten Häuser und Hinterhöfe, Kaufläden und Gassen. Der verheerendste dieser Brände brach 1221 am Marktplatz aus und legte große Teile der Stadt in Schutt und Asche, nur um zehn Jahre später von einem weiteren Feuer fast vollständig wiederholt zu werden.
Trotz dieser Katastrophen wuchs die Stadt weiter. Die Franziskaner und Dominikaner gründeten Klöster und brachten neuen geistigen und sozialen Wandel. Die jüdische Gemeinde baute ihre Synagoge aus und erhielt ein rituelles Tauchbad. Die Errichtung von neuen Stadtmauern und die Erweiterung des Stadtgebiets bezeugten den anhaltenden Fortschritt und die Widerstandsfähigkeit der Wormser.
Am 23. Juli 1235 erreichte Worms einen Höhepunkt seiner Bedeutung, als Kaiser Friedrich II. und Isabella von England im prächtigen Dom zu Worms Hochzeit feierten. Es war ein Ereignis von solcher Pracht und Bedeutung, dass es die Augen ganz Europas auf die Stadt richtete. Die Feierlichkeiten waren ein lebendiges Zeugnis für den Rang und die Würde der Stadt, die sich als Zentrum von Politik, Kultur und Religion etabliert hatte.
König Heinrich (VII.): Der Turm "Luginsland" in Worms spielte eine zentrale Rolle im Schicksal von König Heinrich (VII.), dem Sohn Kaiser Friedrichs II. Nachdem Heinrich sich gegen seinen Vater aufgelehnt hatte, wurde er 1235 in Worms inhaftiert. Der Turm an der Stadtmauer, nahe dem heutigen Jüdischen Friedhof „Heiliger Sand“, diente als Gefängnis.
Während Heinrich im Luginsland-Turm gefangen war, feierte Friedrich wenige Meter entfernt eine prunkvolle Hochzeit mit Isabella von England, die ursprünglich Heinrichs Braut sein sollte. Diese Ereignisse machen die heutige Straße „Luginsland“ zu einem historischen Erinnerungsort.
Doch Worms stand auch vor Herausforderungen und Konflikten. In den Jahren nach der Kaiserhochzeit kam es zu Auseinandersetzungen mit Kaiser Friedrich II., die zur Zerstörung des ersten Rathauses führten. Trotz dieser Rückschläge bildete sich ein neuer Stadtrat, der den Stadtfrieden wiederherstellte und die politischen Strukturen festigte.
Im späteren 12. Jahrhundert wurde eine neue Synagoge errichtet und ausgebaut. Im 13. Jahrhundert begann die Bedeutung der jüdischen Gelehrten Worms’ abzunehmen. Erhalten geblieben ist ein Gebetbuch, das Wormser Machsor von 1272, das auch das älteste schriftliche Zeugnis in jiddischer Sprache enthält.
Die Gründung des Rheinischen Städtebundes im Jahr 1254 war ein weiterer Meilenstein. Worms spielte eine herausragende Rolle in diesem Bündnis, das geschaffen wurde, um Frieden und Sicherheit in der Region zu gewährleisten und gegen Friedensbrecher und Zollburgen vorzugehen.
Doch die Stadt blieb nicht verschont von weiteren Katastrophen. Ein verheerendes Feuer im Jahr 1259 zerstörte erneut große Teile von Worms und hinterließ eine Spur der Verwüstung.
Trotz aller Widrigkeiten blieben die Wormser vereint und entschlossen. Die Stadt erholte sich immer wieder, gestützt durch ihren starken Gemeinschaftssinn und die tiefe Verwurzelung in ihren Traditionen und Glauben. Als die Augustinereremiten und die Karmeliter Klöster errichteten und die Stadt mit ihren Lehren und ihrem Engagement bereicherten, zeigte sich Worms erneut als ein Ort des Glaubens, des Wissens und der Gemeinschaft. Durch die Jahrhunderte hindurch, trotz Bränden und politischen Umwälzungen, wuchs Worms weiter. Die Gründung neuer Klöster, die Erweiterung der Synagoge und die Bildung von Städtebünden zeugen von der fortwährenden Entwicklung und Anpassungsfähigkeit der Stadt. Worms war und blieb ein Symbol für die Stärke und den unerschütterlichen Geist seiner Bewohner, ein Leuchtfeuer der Beständigkeit und des Fortschritts im Herzen Europas.